Sonntag, 19. März 2023

"Winter wie ist nu dein Kraft"

Heute darf ich euch einen Betrag unsers Mitglieds J. teilen.

Wir hoffen er gefällt euch :D

Liebe Grüße
Eike

"Winter wie ist nu dein Kraft"

 Als Bürohengst nutze ich jede Gelegenheit um Zeit in der Natur zu verbringen.
Meine Darstellung eines Berufsjägers und meine (im Aufbau befindliche) Darstellung eines Hausierers sind eine gute Motivation sich nach draußen zu begeben, die Kleidung und andere Ausrüstung in der Praxis zu auszutesten und gegebenenfalls konzeptionelle und konstruktive Fehler zu beheben. Die Wälder und Mittelgebirge rund um meine Heimatstadt Hann. Münden bieten sich dazu förmlich an. So bleibe ich auch im Winterhalbjahr im Hobby jenseits von Recherche und Handarbeiten aktiv.

In diesem kleinen Blogbeitrag möchte ich meine persönlichen Erfahrungen weitergeben. Vielleicht kann ich ja so den einen oder anderen Darsteller motivieren, es mir gleich zu tun (Gruppenwanderungen sind übrigens noch schöner).

Dann gehen wir mal los.


                                              Als Hausierer auf dem Weg zum nächsten Dorf.

Zunächst muss man sich fragen, was einen warm hält und was einen frieren lässt. Es gibt im Grunde zwei Dinge, die einen warm halten: Körperliche Aktivität und isolierende Kleidung. Nässe ist dagegen wegen der Verdunstungskälte das größte Problem. Dazu kann auch starker Wind einen auskühlen.

Wenn man körperlich aktiv ist reicht es in der Regel aus, zwei Lagen aus Schafswolle zu tragen. Ich trage z.B. nur einen Rock und Überrock. Überröcke sind nach meinen Erfahrungen oft besser als Mäntel wenn man sich bewegen muss, da sie sich nicht öffnen und die warme Luft herauslassen. Seitliche Eingriffe machen dabei Taschen, Beutel und Messer, welche sich am Gürtel unter dem Überrock befinden, zugänglich. Und man kann seine Hände herrlich zum Aufwärmen reinstecken.

Meine Lieblingskleidungsstück ist aber die Gugel. Sie ist in den Funden und Bildzeugnissen von Männern omnipräsent und einfach ein geniales Kleidungsstück. Mit oder ohne Futterstoff hält sie den gesamten Kopf selbst bei Wind warm. Dazu muss sie aber am Gesicht eng genug geschnitten sein. Wenn sie mit einem Überrock oder Mantel getragen wurde, scheint es üblich gewesen zu sein, den Kragen der Gugel drunter zu tragen. So kann der Wind auch nicht drunter fassen.

 

 
Wandern im Winter ist lustiger als es manchmal aussieht.

Meine derzeitigen Handschuhe sind aus Wolle genäht und halten ausreichend warm. Allerdings bieten sie kaum Halt wenn man etwas festhalten möchte, wie einen Wanderstock oder eine Saufeder (Lanze zur Wildschweinjagd).

Ein gut eingefetteter Schuh hält Wasser eine Zeitlang ab (ich dazu nutze übrigens eine selbstgemachte Schuhcreme aus Rindertalg und Bienenwachs). Aber wenn es draußen nass ist, werden meine Schuhe früher oder später feucht, gerade die Sohle. Bewährt hat sich da eine Einlage aus Heu. Es bildet eine Isolierschicht von der Kälte des Bodens und von den feuchten Ledersohlen. Wird das Heu ebenfalls feucht, tauscht man es einfach gegen neues, trockenes aus. 

 Einlegesohlen aus Heu

Jeder, der schon mal Wendeschuhe getragen hat, weiß: die Ledersohlen sind verdammt rutschig.
Im Schnee und in den Bergen kann das gefährlich werden. Mein unverzichtbarer Helfer ist ein Wanderstock mit einer eisenverstärkten Spitze. Dazu empfehle ich gerade bergab kleine Schritte zu machen, um den Körper ggf. noch abfangen zu können. Ich trippele förmlich den Berg runter.

Essen und Trinken darf man natürlich auch nicht vergessen. Ich nehme immer etwas Brot, einen Apfel und Käse mit. Dazu mein mit Wasser gefülltes Tonfass. Ein Problem dabei ist, dass das Wasser gefrieren kann. Dazu habe ich auch noch keine gute Lösung gefunden, das Fass unter der Kleidung zu tragen ist in jedem Fall beim Gehen sehr hinderlich. 

 "Hmm, kaltes Wasser aus dem kalten Tonfass."


Meine Tipps in Kürze:

 

Freitag, 14. Oktober 2022

Eine typische Frisur um 1340

 Schleier gehören in der Living-History Szene zu den gängigsten Kleidungsbestandteilen bei Frauen. Dies spiegeln auch die Quellen wider, welche häufig Frauen mit verschiedenen Schleierformen zeigen. Dennoch sind auch Frisuren, mit und ohne Schleier, oft genug zu sehen um sie in einer historischen Interpretation umzusetzen

Gerade offensichtlich bessergestellte Frauen tragen oft und gerne aufwendige Frisuren, ganz ohne Schleier, teilweise bedeckt und häufig mit einem Haarnetz.

Die bei Darstellerinnen häufig gesehene Frisur ist die „Affenschaukel“ (Abb.1), welche um das Jahr 1340 in Deutschland allerdings kaum nachzuweisen ist. Man sieht diese Frisur häufiger in England oder Frankreich.

 
Abbildung 1: Klassische “Affenschaukeln” typisch für England und Frankreich. Ausschnitt aus “The Romance of Alexander” Oxford, Bodleian Library MS. Bodl. 264: https://digital.bodleian.ox.ac.uk/objects/60834383-7146-41ab-bfe1-48ee97bc04be/

 

Während meiner Recherche in deutschen Quellen zeichnete sich hingegen eine andere Frisur, oder eher Frisurengruppe für den deutschen Raum als besonders häufig heraus. Diese besteht an den Seiten des Kopfes aus waagrechten Zöpfen, welche unter einem Haarnetz wie eine Art “Wurst” aussieht (siehe Abb. 2). Man findet diese Frisur mit oder ohne Haarnetz, sowie mit Schleier oder Filet kombiniert.

Eine solche Frisur kann beispielsweise durch zwei Zöpfe erzeugt werden, welche im hinteren Kopfbereich geflochten sind, dann seitlich bis zu den Ohren geführt werden, geknickt und wieder nach hinten gelegt werden. Das Ganze kann dann mit Haarnadeln befestigt, oder angenäht werden.

Abbildung 2: Willehalm-Kodex. 1334. Fritzlar (?).https://orka.bibliothek.uni-kassel.de/viewer/image/1300457892891/4/

 

Bezüglich der Herkunft der Frisur könnte Frankreich die modische Inspiration für die Deutschen Damen gewesen sein, denn besonders im späten 13. Jahrhundert und frühen 14. Jahrhundert war diese Frisur in Frankreich beliebt und ist erst ein paar Jahrzehnte später, typisch für Deutschland modisch etwas verzögert, bei uns populär geworden. Diese Theorie ist allerdings noch sehr vage.

Diese Art von Haarmode sieht man nicht nur im deutschen Raum, sondern auch in Italien, Frankreich, England und in den nördlichen Ländern. Ein guter Grund also sich intensiver mit verschiedenen Frisuren auseinanderzusetzen und nicht immer die in der Szene sehr beliebten „Affenschaukeln“ zu tragen.

Nach einiger Recherche war ich neugierig und wollte die Frisur ausprobieren. Die Bilder sind im Geschichtspark Bärnau-Tachov entstanden. Fixiert habe ich die Zöpfe mit selbstgemachten, einfachen Haarnadeln. Da ich sehr schwere Haare habe, werde ich beim nächsten Mal ausprobieren, die Zöpfe mit einem Seidengarn und einer Stopfnadel anzunähen um einen besseren Halt zu gewährleisten.

In Zukunft möchte ich, nach diesem ersten Versuch, noch mehr verschieden Frisuren austesten. Es gibt noch so viel zu entdecken.

 




Zum Schluss noch eine kleine Zusammenfassung an Quellen:

Deutsche Quellen:

https://effigiesandbrasses.com/2982/6281

https://orka.bibliothek.uni-kassel.de/viewer/image/1300457892891/4/

https://www.alamy.de/einzelfiguren-aus-dem-hauptaltar-des-kolner-doms-3-koln-c-1310-1320-carrara-marmor-image364571218.html

https://daten.digitale-sammlungen.de/~db/0009/bsb00092278/images/index.html?seite=21

https://digi.ub.uni-heidelberg.de/diglit/cpg848/0390/image,info

https://de.wikipedia.org/wiki/Jakob_von_Wart#/media/Datei:Codex_Manesse_046v_Jakob_von_Warte.jpg

Französische/ italienische / englische Quellen:

https://openmarginalis.tumblr.com/post/129023737128/detail-of-historiated-initial-b-luttrell

https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEi7XS39ijKQoR_lmvmNQi9fM26s3n9-tDKcihjzYhyNoKaRnFuHDqicTR5pJwcRFOlbFDT4ECuXo0XPgqEdugbu13mKbXmV2D4fF_SzLyupuN5RmHQ75h-pVzcqfEyJwCElBAuyZHOE6QRD/s320/guillen.png

https://www.bl.uk/manuscripts/Viewer.aspx?ref=royal_ms_16_g_vi_f098r

https://gallica.bnf.fr/ark:/12148/btv1b10022284t/f677.item.zoom

https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEi_mjJJjfC78Vzd0k8NGktOu_806u8IxHkAA_Xq5oDcsroH3aiMeV0k1jwzgOUsGSU_6C2qzSDESBpYfyAQ8mOLDd8P1EBN_-g4W-akZb6Pb_zscn59iwa7i_KmVNU_RHbQ9JdoyNtkxUwH/s1600/Holkham+Bible%252C+c+1327-1335%252C+fillet.jpg

https://gallica.bnf.fr/ark:/12148/btv1b8454675g/f80.item.r=francais%20146.langEN (vol 32)

 

Verfasst von Kim

 

Samstag, 27. August 2022


Schon seit längerem beschäftigen wir uns mit regional Textquellen und prüfen, woe wir die aus diesen Quellen gewonnen Erkentnisse in unsere Darstellung und unser museumspädagogisches Programm einfliessen lassen können. 

Unsere letzte Neuerung / Umsetzung zu diesem Thema kommt nun mit der Lieder/Gedichtesammlung "Der König vom Odenwald"1

In diesem Lyrikzyklus gib der Autor (vermutlich ein Adeliger, der sich als Spielmann ausgiebt), Einblicke in die alltägliche Welt des 14. Jahrhunderts. 

Mit Schriften z.B. "Vom Rind", "Vom Schaf" und vielen weiteren Texten zeigen die Texte, wie z.B. diese Tiere in den Alltag eingebunden waren, welche Produkte und Alltagsgegenstände mit ihnen in Verbindung stehen. 

So finden wir beispielsweise zwanzig verschiedene Zubereitungsarten von Eiern, im Gedicht "Vom Huhn und vom Ei":

Vom Huhn kommt das Ei, 

und dieses verhilft zu 

zahlreichen wohlschmeckenden Speisen: 

Darüber möchte ich dichten! 

Sagt ihr nun, es sei nützlich, daß ich erzähle, 

welcher Segen vom Ei ausgeht, 

so will ich 

Männern und Frauen davon Kenntnis geben. 

Der eine geht auf Reisen 

und kocht sein Ei hart; 

der andere sagt: ,,Mein Lieber, 

backe mir mein Ei natur".¹ 

Ein dritter will den Dotter weich, 

sonst schlägt er es kaputt; 

der vierte will nicht drin herumstechen, 

er backt sich einen Kugelhupf. 

Das sagt dem fünften gar nicht zu, 

er schlägt sein Ei in die Pfanne. 

Der sechste will das seine in Schmalz gebacken 

und streut Salz darüber. 

Der siebente will immer nur 

 Eier in Butter gebacken. 

So ist es dem achten am liebsten: 

er schlägt Eier über Grieben. 

Der neunte verlangt: 

,,Reich' mir eine Pfanne 

und rühr' sie durcheinander". 

Dazu gehöre ich auch. 

Der zehnte ist so dreist 

und fordert Pfannküchlein; 

der elfte ist so verdreht, 

er schlägt seine in die Milch. 

Der zwölfte hat sich 

,,verlorene Eier" auserbeten. 

Der dreizehnte fordert bestimmt 

Petersilie und Essig 

und schneidet seine Eier hinein. 

Der vierzehnte bereitet sich einen kleinen Trunk, 

das Kopfweh 

soll ihm davon vergehen. 

Der fünfzehnte begehrt die Schalen 

und überlegt hin und her, 

der sechzehnte einen Eierbrei, 

an dem er sich laben kann. 

Der siebzehnte meint: ,,Ich kümmere mich nicht darum" 

und will einen Eierkuchen; 

der achtzehnte will's noch anders 

und schlägt sein Ei an ein Huhn²; 

der neunzehnte füllt Hühner damit, 

dies ist auch ein guter Brauch. 

Der zwanzigste gibt das Ei der Molke bei - 

mühelos verdoppelt sie sich. 

Darüber hinaus ist festzuhalten: 

Man gibt Eier Hirnwürsten bei, 

die man damit gefüllt haben will 

von einem, der es kann. 

Ganz zu schweigen von 

was Frauen schön zuzubereiten wissen 

Eierspeise und Topfgebäck

Während unserer Veranstaltung in Bad Sobernheim im Mai 2022 haben wir anhand eines Schautisches kombiniert mit dem Vortrag von Teilen des Gedichts "Vom Rind" die zahlreiche Verwendung der Produkte des Rindes vorgestellt.


Darüberhinaus haben wir einige der Eierspeisen umgesetzt, Teige zubereitet und ein schönes Programm vorgestellt.




1 Odenwald , König vom, Dichter am Anfang des 14. Jahrhunderts aus dem Kreise der Fahrenden; der Name „König“ bezeichnet nicht einen Wappenkönig, sondern einen Pfeifer- oder Spielmannskönig, wie solche seit dem 13. Jahrhundert in Frankreich, seit dem 14. Jahrhundert in Deutschland nachzuweisen sind. Er war also der oberste der Spielleute im Odenwald und führte daher seinen Beinamen. Seiner Sprache nach ist er wol auch im Odenwald heimisch gewesen, seine Wanderungen erstrecken sich auf die dem Odenwald nächst gelegenen Gebiete. Er nennt die Herren v. Seckendorf und v. Ehnheim, zwei Geschlechter in der bairischen Provinz Mittelsranken, ferner die von Neuenstein, worunter wol Neuenstein im würtembergischen Jaxtkreise östlich von Oehringen zu verstehen ist, und ebendahin weisen die von Ocinan, nordöstlich von Hall; endlich nennt er auch die Herren v. Sachsenflur, im badischen Unterrheinkreis, nordöstlich von Boxberg. Die Richtung seiner Poesie schließt sich an jene realistische des Minnegesanges an, die in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts Steinmar u. a. eingeschlagen, an die Herbst- und Eßlieder, und er singt demgemäß das Lob der Gans, des Huhnes, der Kuh, des Schafes, des Schweines: alle diese Gedichte sind reich an Zügen aus dem Leben der Zeit. In noch höherem Grade gilt das von einigen andern, die ganz der Schilderung damaliger Sitten und Gebräuche gewidmet sind, so das Gedicht von den Bärten, das vom Baden. Eins gibt eine Schilderung eines bösen Weibes, ein anderes handelt vom Wideräffen, und eines, vom Unglimpf, schildert das wüste Leben und Treiben der damaligen Ritterschaft. Auch ein paar Fabeln hat er gedichtet, „der Mäuse Rath“ und „Thierbeichte“, die zu seinen besten Sachen gehören. Der dichterische Werth seiner einzelnen Gedichte ist nicht hoch anzuschlagen, doch muß eine humoristische Ader ihm zugesprochen werden; für die Culturgeschichte jener Zeit haben sie ein nicht unerhebliches Interesse.


Bartsch, Karl, "König vom Odenwald" in: Allgemeine Deutsche Biographie 24 (1887), S. 146-147 unter Odenwald