Freitag, 31. Januar 2014

Erde statt Kühlschrank - Konservierung im Mittelalter



Ein Repost aus dem Medienportal von 3Sat

Grazer Forscher testen mittelalterliche Ernährung

Im Winter konservieren und kochen Dr. Karin Kranich und Helmut Klug nach mittelalterlichen Traditionen. Sie wollen vergessenes Fachwissen aus Jahrhunderten wieder hervorholen.
Die beiden Germanisten der Uni Graz probieren aus, wie lange Endiviensalat im Erdkeller übersteht. Außerdem vergraben sie Karotten, Sellerie und Meerrettich, was das Wurzelgemüse für mindestens sechs Monate haltbar macht. Auch heute noch wenden einige Bauern diese Methode an. Die Forscher reiben Fleisch mit Salz und anderen Gewürzen ein und hängen es weit oben in den Kamin, um es einräuchern zu lassen. Dadurch bleibt es über Monate haltbar. Obst konservieren Kranich und Klug, indem sie es einkochen und im Anschluss trocknen. Ihr Wissen über diese Art der Konservierung tragen die beiden aus bruchstückhaften alten Aufzeichnungen zusammen.

Im Mittelalter war die Ernährung vielfältiger als häufig angenommen. Einen Vorrat an Lebensmitteln zu haben, war in den Wintermonaten ausschlaggebend dafür, dass die Menschen überlebten. Jedoch ist die schriftliche Überlieferung über das damalige Essen und dessen Konservierung nur teilweise und ungenau vorhanden.

Hier noch der Link zum Videobeitrag



Mittwoch, 29. Januar 2014

Quellenkritik - oder die Frage, warum viele Darsteller alles glauben, was geschrieben steht

Quellenkritik, ein viel bemühtes Wort, leider auch ein viel vernachlässigtes.

(Ergänzung des Autors: Dieser Text soll nicht bedeuten, dass der Autor oder ihm nahe stehende nie Quellen falsch interpretieren. Der Artikel soll lediglich an einem plakativen Beispiel dazu aufrufen Quellen kritisch zu hinterfragen und sich mit anderen Darstellern auszutauschen, anstelle ungefragt zu übernehmen)

Bedauerlicherweise bleibt es oftmals beim kennen des Wortes, Anwendung findet es nur selten. Im günstigsten Fall wird ohne zu hinterfragen Material aus einer Sekundärliteratur* übernommen, im schlechtesten Fall sogar von der Internetseite eines anderen Darstellers. Letztlich sind aber beide Alternativen nicht empfehlenswert.

Eines meiner liebsten Beispiele ist das folgende, entnommen aus der frühmittelalterlichen Darstellung.

Mangels Funden von Garnrollen wird ein Fund wieder und wieder genutzt, der nicht gesichert für die Aufbewahrung von Garn angesprochen wird. Im Text heißt es nur, ich zitiere gekürzt:

"Zum sicheren aufbewahren von Garn dienten Garnhalter......Aus Elisenhof stammt ein 116 x 89 mm großer Gegenstand...., der dort ebenfalls als Garnhalter gedeutet wird." (aus Die Holzfunde von Haithabu von Florian Westphal)

Sowohl in den Elisenhof Publikationen, als auch in Folge in der Publikation von Florian Westphal zu den Holzfunden von Haithabu wird dieses Objekt also nur "gedeutet". Was aber heißt dies nun für den Darsteller?
Es gibt keinen gesicherten Nachweis für die Verwendung als Garnwickler. Gesichert gibt es aber eine entsprechende Form als Holzverbindung mit dem klangvollen Namen Schmetterlingsdübel zur flachen Verbindung zweier Bretter (siehe hierzu "Die Ausgrabungen im Mühlberg-Ensemble, Kempten (Allgäu): Metall, Holz und Textil")

Ergänzend stellen sich folgende Fragen(abhängig vom handwerklichen und allgemeinen Wissensstand des Fragestellenden ggf. auch andere):
-Warum sollte eine Kultur, in der gedrechselte Schüsseln, Schalen, Teller, Becher, Dosen und Spindelstäbe vorhanden sind Garnhalter schnitzen/sägen?
-Warum sollte das Garn von einem Spindelstab abgewickelt werden, wenn man auch einfach den Wirtel auf einen anderen Stab stecken kann? Wir kennen dies von spätmittelalterlichen Abbildungen.
-Inwieweit kennt sich der Autor des Buches mit der Textilverarbeitung und auch der Schreinerei aus?
-Woher stammt die Deutung als Garnhalter ursprünglich?
-Wie ist die Fundlage der Objekte, was wurde in direktem Bezug gefunden?

All dies spricht meiner Meinung nach gegen eine Verwendung des Objektes in der Darstellung, denn es liegen keine gesicherten Nachweise vor und es bleiben zu viele Zweifelsfragen.
Solche Objekte sollten in der Darstellung also eher vermieden werden, denn es besteht die Gefahr ein falsches Bild zu erzeugen.

Man stelle sich nur einen Darsteller in 500 Jahren vor, der Alufolie als adäquate Kopfbedeckung des frühen 21. Jahrhunderts nutzt, da ein Wissenschaftler seiner Zeit aus dem Fund eines YouTube Films diese Nutzung "deutet".

Anmerkung des Autors: Dieser Artikel stellt die Meinung des Autors dar und soll zum nachdenken anregen und zum mitdiskutieren aufrufen.


*Sekundärliteratur: Ein Text, der kein Original der entsprechenden Zeit ist, sondern ein heute geschriebenes Buch über Funde oder ähnliches.

Donnerstag, 23. Januar 2014

Ausstellung Mühlheim im Mittelalter : Das Mittelalter ist eröffnet

.. ein Bericht aus der Offenbach Post vom 18.11.13:

Mühlheim - Es war die Zeit des Till Eulenspiegel und der ersten Kirchturmuhr. Und lustig war sie eher nicht. Mühlheim stand kurz vor dem Ausbruch der Pest, schilderte Hans-Peter Schwenger das Jahr 1340.

Die neue Ausstellung des Geschichtsvereins zusammen mit der IG m i m e.V.  dreht sich um diese Phase, die der heimische Verein „Mensch im Mittelalter“ im Stadtmuseum (Marktstraße 2) gestaltet hat.
Vorsitzender Ronald Vetter begrüßte viele Gäste zur Eröffnung. Sein Verein hat 30 Mitglieder, die über die halbe Republik verteilt wohnen. Sie eint das Interesse, das frühe Spätmittelalter darzustellen und zu erforschen. Erstmals statteten die Hobbyhistoriker für die Schau an ihrem Vereinssitz die Abteilungen Küche, Handwerk und Militär aus. Seine Frau Taija sorgte mit Liebe zum Detail für den letzten Schliff. Mehrfach kooperierten die Aktiven bereits mit dem Geschichtsverein, etwa beim Mühlentag. Die Zusammenarbeit soll nun intensiviert werden.
Ronald Vetter bedankte sich bei seinen Mitstreitern, die Vitrinen und Szenen ausstatteten, Hähnchen- und Spinat-Pasteten zubereiteten, Met- und Hypocras, den Honig- und den Gewürzwein des Mittelalters.
Bürgermeister Daniel Tybussek gab sich fasziniert, dass die Epoche „zum Greifen nah“ mitten in der Stadt auflebe. Die Mittelalter-Forscher werden am Geleitzug teilnehmen, der zum Jubiläum „1200 Jahre Mühlheim“ 2015 durch die Stadt führen wird. Die Veranstalter hoffen nun auf gute Resonanz. Am 1. Dezember, 15.30 Uhr, gibt es eine Führung; am 15. Dezember, 16 Uhr, eine mittelalterliche Modenschau und am 19. Januar eine Verkostung von Speisen dieser Zeit.

Ausstellung Mühlheim im Mittelalter : Damen bitte "unten ohne" ....

Ein Bericht aus der Offenbach Post vom 23.12.13 Mühlheim

Der Herr vom Land trug Unterwäsche aus Leinen, die Dame – gar keine! Das blieb nicht die einzige Information, die rund 30 Besucher des Stadtmuseums in Staunen versetzte. „Mensch im Mittelalter“ (MiM) hatte zu einer Modenschau in ihre Ausstellung eingeladen Mitglieder des Mühlheimer Vereins hatten „Beinlinge“ angeschnürt, weswegen bis heute von einem Paar Hosen gesprochen wird, lehrte Ronald Vetter, der Vorsitzende. Diese einzelnen Beinkleider trugen sich sogar recht angenehm, erklärte der Experte, zur Feldarbeit im Sommer wurde der Stoff einfach gelöst oder über den Knien zusammengebunden. Fertig waren die Shorts. Die Textilien waren in der Regel grau-braun, weiße Ware war deutlich teurer.
Der Knecht trug darüber einen wollenen Kittel, der relativ weit geschnitten war, führte eines der Vereins-Models vor. Ein echter Dauerbrenner, lehrte Vetter, war die Woll-Tunika. Das Kleidungsstück ähnelte einem langen Hemd, hatte einen einfachen Schnitt, hielt warm und war sehr funktionell. Es wurde zu einem Ledergürtel und einem Hut getragen. Die „gut situierten Herren des Bürgertums“ konnten es immerhin sich leisten, die Tunika bunt gefärbt zu erwerben. Sie gingen auch mit eng anliegenden Hosenbeinen aus, schützten sich mit einem Surcot, einem knielangen Überwurf, vor Kälte, Wind und Regen. Quasi sachdienlicher Luxus. „Gemusterte Stoffe waren wesentlich teurer als einfarbige“, lernten die Zuschauer in beiden Räumen des Erdgeschosses des Stadtmuseums. Die Menschen in Mitteleuropa legten in den kalten Jahreszeiten mehrere Schichten Textilien übereinander. War’s ihnen zu warm, schoben sie die Ärmel nach oben. Die Bürgerschicht und die Handwerksmeister verfügten über Geld, trugen Würfel, Griffel und Wachstafel mit sich und einen so genannten Hodendolch, eine zweiseitig geschliffene Waffe. Die durften jedoch nur freie Bürger besitzen, betonte Vetter. Er präsentierte weitere Surcots, hellblau gefärbte Seide als Futterstoff. Die Muster wurden aus drei Farben gewebt. Die Besucher konnten nach dem „Catwalk“ die Kleidungsstücke noch einmal näher in Augenschein nehmen, die dicken Stoffe in die Hand nehmen und, falls mutig, auf ihre Tragbarkeit prüfen. „Warm sind die Sachen ja“, erkannte eine ältere Dame, „aber sie kratzen!“. Den Gästen fiel der deutliche Unterschied in Qualität und Farben der Ausstattung für einfache Leute und reichere Bürger auf. Das Team der „Menschen im Mittelalter“ stand für Auskünfte zu Details der historischen Mode zur Verfügung. Die Ausstellung im Stadtmuseum ist noch bis Februar zu sehen.

Ausstellung Mühlheim im Mittelalter : Den Löffel abgeben .. oder "von Tischen und Tafeln"

.. ein Bericht aus der Offenbach Post vom 22. Januar 2014

Den Löffel abgeben

Die heutigen „Menschen im Mittelalter“ denken gar nicht daran, den Brotkorb höher zu hängen, die Tafel aufzuheben oder den Löffel abzugeben.
Dabei stammen gerade diese Aussprüche aus jener Epoche, die der gleichnamige Mühlheimer Verein Besuchern des Stadtmuseums mit seiner Ausstellung möglichst lebendig näher bringen will. Jetzt standen rund 40 Hungrige zwischen Puppen mit Beinlingen und Ritterrüstung, Kittel und Tunica, einen Teller in der Hand und den Blick auf den wohl genährten Gastgeber im längsgeteilten Wollkleid gerichtet. Die Freunde des 14. Jahrhundert plauderten „von Tischen und Tafeln“ und servierten dazu typische Speisen aus jener Zeit. Vereinsvorsitzender Ronald Vetter gab in seiner heiteren Art einen Einblick in die Rezepturen der einfachen, bäuerlichen Küche, aber auch in Leckereien der herrschaftlichen Burgen-Bewohner.
Erstmal gab’s einen Aperitif, einen Claree: Weißer Gewürzwein mit sieben Kräutern darunter Nelken, Stern-Anis und Muskat in Honig und Rosenwasser. Sowas hatte damals mehr als Genussgründe. Der Konsum von Alkohol war schlicht notwendig, verdeutlichte Vetter, um das Wasser zu desinfizieren. Die Spezialität schmeckte ein bisschen wie Glühwein und fördere die Verdauung, lernten die Verkoster. Besaßen die einfachen Leute fürs anschließende Essen einen schlichten Holzteller und ihren eigenen Löffel – den sie beim Tod „abgaben“ -, speisten die Reichen von gedrehter und verzierter Keramik.
Darauf servierten im Stadtmuseum die Damen mit den Kopftüchern einen leckeren Hirsebrei. Im Mittelalter kannte man auch Versionen aus Gries und Hafer, die nicht weniger gesund waren. Nach dieser Bauernspeise - Erbsenmus-Bällchen - eingelegte Wintergenüsse, gekocht und passiert mit altem und zerdrücktem Brot und altem Käse, in Schweineschmalz gebacken. „Ganz lecker“, bewertete eine der Feinschmeckerinnen mit einem Pappteller in der Hand.
Dann schwenkte die Speisekarte um zur „hohen Festtagsküche“, zu den feinen Sachen der städtischen und adeligen Bevölkerung. Vetter kündigte eine Spinatpastete mit Rosinen auf Teig an, gefolgt von hartgekochten Eiern. Die übergossen die freundlichen Kellnerinnen mit einer dünnen, gelben Senfmehlsoße mit einer pikanten Note. Zum Höhepunkt des Mahls rief Vetter gleich drei Geschmackskomponenten auf. Zunächst Käsekrapfen mit Eigelb und Teig aus altem Brot. Mit Gewürzen verfeinert, wurden die Sattmacher im Ofen knusprig gebacken. Ihnen folgte der Schichten-Fleischeintopf „Marmonia“: Fleisch von Huhn, Schwein und Rind, klein geschnitten, mit Zwiebeln, frischem Ingwer, Madagaskar-Pfeffer, Zimt und Honig angebraten, im Tontopf mit Weißwein aufgegossen. Das Werk schmorte mehrere Stunden auf kleiner Flamme.
Mit dem Übermaß an Gewürzen zeigte man, dass man Geld hat, typisch fürs Mittelalter. Zum Dessert boten die Damen Waichselkirschen, wieder mit altem Brot, Wein und Gewürzen, gekocht mit Butter, an. Zum Finale folgte schwarzer Nougat in süßen Kugeln mit gebrannten Nüssen. Und als Digestif ein Hypokras – roter Gewürzwein mit viel Ingwer und Muskat, wie gehabt! „Die Tafel aufheben“ bedeutete übrigens, dass der Burgherr das komplette Tischbrett mit einem Gang drauf abtragen ließ, um Platz fürs nächste Brett, den nächsten Gang, zu schaffen. Die Mittelalter-Ausstellung, kündigte der Geschichtsverein an, ist bis zum 23. Februar verlängert.