Mittwoch, 29. Januar 2014

Quellenkritik - oder die Frage, warum viele Darsteller alles glauben, was geschrieben steht

Quellenkritik, ein viel bemühtes Wort, leider auch ein viel vernachlässigtes.

(Ergänzung des Autors: Dieser Text soll nicht bedeuten, dass der Autor oder ihm nahe stehende nie Quellen falsch interpretieren. Der Artikel soll lediglich an einem plakativen Beispiel dazu aufrufen Quellen kritisch zu hinterfragen und sich mit anderen Darstellern auszutauschen, anstelle ungefragt zu übernehmen)

Bedauerlicherweise bleibt es oftmals beim kennen des Wortes, Anwendung findet es nur selten. Im günstigsten Fall wird ohne zu hinterfragen Material aus einer Sekundärliteratur* übernommen, im schlechtesten Fall sogar von der Internetseite eines anderen Darstellers. Letztlich sind aber beide Alternativen nicht empfehlenswert.

Eines meiner liebsten Beispiele ist das folgende, entnommen aus der frühmittelalterlichen Darstellung.

Mangels Funden von Garnrollen wird ein Fund wieder und wieder genutzt, der nicht gesichert für die Aufbewahrung von Garn angesprochen wird. Im Text heißt es nur, ich zitiere gekürzt:

"Zum sicheren aufbewahren von Garn dienten Garnhalter......Aus Elisenhof stammt ein 116 x 89 mm großer Gegenstand...., der dort ebenfalls als Garnhalter gedeutet wird." (aus Die Holzfunde von Haithabu von Florian Westphal)

Sowohl in den Elisenhof Publikationen, als auch in Folge in der Publikation von Florian Westphal zu den Holzfunden von Haithabu wird dieses Objekt also nur "gedeutet". Was aber heißt dies nun für den Darsteller?
Es gibt keinen gesicherten Nachweis für die Verwendung als Garnwickler. Gesichert gibt es aber eine entsprechende Form als Holzverbindung mit dem klangvollen Namen Schmetterlingsdübel zur flachen Verbindung zweier Bretter (siehe hierzu "Die Ausgrabungen im Mühlberg-Ensemble, Kempten (Allgäu): Metall, Holz und Textil")

Ergänzend stellen sich folgende Fragen(abhängig vom handwerklichen und allgemeinen Wissensstand des Fragestellenden ggf. auch andere):
-Warum sollte eine Kultur, in der gedrechselte Schüsseln, Schalen, Teller, Becher, Dosen und Spindelstäbe vorhanden sind Garnhalter schnitzen/sägen?
-Warum sollte das Garn von einem Spindelstab abgewickelt werden, wenn man auch einfach den Wirtel auf einen anderen Stab stecken kann? Wir kennen dies von spätmittelalterlichen Abbildungen.
-Inwieweit kennt sich der Autor des Buches mit der Textilverarbeitung und auch der Schreinerei aus?
-Woher stammt die Deutung als Garnhalter ursprünglich?
-Wie ist die Fundlage der Objekte, was wurde in direktem Bezug gefunden?

All dies spricht meiner Meinung nach gegen eine Verwendung des Objektes in der Darstellung, denn es liegen keine gesicherten Nachweise vor und es bleiben zu viele Zweifelsfragen.
Solche Objekte sollten in der Darstellung also eher vermieden werden, denn es besteht die Gefahr ein falsches Bild zu erzeugen.

Man stelle sich nur einen Darsteller in 500 Jahren vor, der Alufolie als adäquate Kopfbedeckung des frühen 21. Jahrhunderts nutzt, da ein Wissenschaftler seiner Zeit aus dem Fund eines YouTube Films diese Nutzung "deutet".

Anmerkung des Autors: Dieser Artikel stellt die Meinung des Autors dar und soll zum nachdenken anregen und zum mitdiskutieren aufrufen.


*Sekundärliteratur: Ein Text, der kein Original der entsprechenden Zeit ist, sondern ein heute geschriebenes Buch über Funde oder ähnliches.

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