Ein Bericht aus der Offenbach Post vom 23.12.13
Mühlheim
Der Herr vom Land trug Unterwäsche aus Leinen, die Dame – gar keine! Das blieb nicht die einzige Information, die rund 30 Besucher des Stadtmuseums in Staunen versetzte. „Mensch im Mittelalter“ (MiM) hatte zu einer Modenschau in ihre Ausstellung eingeladen
Mitglieder des Mühlheimer Vereins hatten „Beinlinge“ angeschnürt, weswegen bis heute von einem Paar Hosen gesprochen wird, lehrte Ronald Vetter, der Vorsitzende. Diese einzelnen Beinkleider trugen sich sogar recht angenehm, erklärte der Experte, zur Feldarbeit im Sommer wurde der Stoff einfach gelöst oder über den Knien zusammengebunden. Fertig waren die Shorts. Die Textilien waren in der Regel grau-braun, weiße Ware war deutlich teurer.
Der Knecht trug darüber einen wollenen Kittel, der relativ weit geschnitten war, führte eines der Vereins-Models vor. Ein echter Dauerbrenner, lehrte Vetter, war die Woll-Tunika. Das Kleidungsstück ähnelte einem langen Hemd, hatte einen einfachen Schnitt, hielt warm und war sehr funktionell. Es wurde zu einem Ledergürtel und einem Hut getragen.
Die „gut situierten Herren des Bürgertums“ konnten es immerhin sich leisten, die Tunika bunt gefärbt zu erwerben. Sie gingen auch mit eng anliegenden Hosenbeinen aus, schützten sich mit einem Surcot, einem knielangen Überwurf, vor Kälte, Wind und Regen. Quasi sachdienlicher Luxus. „Gemusterte Stoffe waren wesentlich teurer als einfarbige“, lernten die Zuschauer in beiden Räumen des Erdgeschosses des Stadtmuseums. Die Menschen in Mitteleuropa legten in den kalten Jahreszeiten mehrere Schichten Textilien übereinander. War’s ihnen zu warm, schoben sie die Ärmel nach oben.
Die Bürgerschicht und die Handwerksmeister verfügten über Geld, trugen Würfel, Griffel und Wachstafel mit sich und einen so genannten Hodendolch, eine zweiseitig geschliffene Waffe. Die durften jedoch nur freie Bürger besitzen, betonte Vetter. Er präsentierte weitere Surcots, hellblau gefärbte Seide als Futterstoff. Die Muster wurden aus drei Farben gewebt.
Die Besucher konnten nach dem „Catwalk“ die Kleidungsstücke noch einmal näher in Augenschein nehmen, die dicken Stoffe in die Hand nehmen und, falls mutig, auf ihre Tragbarkeit prüfen. „Warm sind die Sachen ja“, erkannte eine ältere Dame, „aber sie kratzen!“. Den Gästen fiel der deutliche Unterschied in Qualität und Farben der Ausstattung für einfache Leute und reichere Bürger auf. Das Team der „Menschen im Mittelalter“ stand für Auskünfte zu Details der historischen Mode zur Verfügung. Die Ausstellung im Stadtmuseum ist noch bis Februar zu sehen.
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