Was macht ihr so mit einem kaputten Krug? Ist euch auch schon mal der Kochtopf runter gefallen und in tausend Scherben zersprungen? Wie immer, die Lösung ist Geschichte. Oder besser gesagt kommt aus der Geschichte.
Sonntag, 22. November 2020
Was man noch tun kann in diesem langen Winter - What else you can do during this long winter
Sonntag, 25. Oktober 2020
Spieglein, Spieglein in der Hand
In einem der Standardwerke für historische Darsteller, den „Dress Accessories 1150-1450“ von Geoff Egan und Frances Pritchard, erschienen beim Museum of London, tauchen kleine Klappspiegelchen aus Bronze und Zinn auf. Die „cased mirrors“.
Links: ein Original aus den Dress Accessories; Mitte: eine Replik; Rechts: ein Original aus PrivatsammlungDiese Spiegel sind, obwohl scheinbar alleine in England in großen Mengen im Fundgut erhalten, kaum publiziert und finden sich nur bei sehr wenigen historischen Darstellern.
Aber was wissen wir überhaupt über diese Spiegelchen?
„Dress Accessories“ schreibt auf Seite 365:
„One thousand mirrors were among the goods brought by ship, probably from the Low Countries, to London in 1384 (Byley et al. 1984, 401-02).“
Also wurden 1000 solcher Spiegelchen gegen Ende des 14. Jahrhunderts aus den „Low Countries“, den heutigen Niederlanden und/oder Belgien, nach London transportiert. Diese Menge erklärt auch die heutige Fundlage in England, denn sowohl in englischen Museen, als auch bei Privatsammlern, dem Portable Antiquities Scheme (finds.org.uk) oder der Rosalie Gilbert Collection (http://www.thegilbertcollection.com/) findet sich eine große Zahl der kleinen Spiegelchen aus Bronze, welche laut Dress Accessories tendenziell in die zweite Hälfte des 14. Jahrhunderts datieren, wohingegen die früheren aus Zinn gewesen sind.
Somit wurden diese Spiegel importiert, nicht in England hergestellt, wie zunächst zu vermuten gewesen wäre, aufgrund der hohen Fundmenge.
Als Spiegelfläche wurde ein gewölbtes Glas verwendet, zumindest laut den „Dress Accessories“ und einem Original aus einer Auktion von „Hanson Auctioneers and Valuers“ vom 22.03.2017. Womit das Glas belegt war, ob bedampft oder begossen, ist aus der Literatur nicht zu entnehmen. Eventuell war es eine Legierung aus Blei und Zink, die angeblich im 13. Jahrhundert in Murano Verwendung fand (laut www.spiegel-info.de; eine Quellenangabe hierzu fehlt).
Die Herstellung der Bronzedose, oder im wohl früheren Kontext der aus Zinn, hingegen ist sehr klar. Die Dose an sich wird gegossen, die Verzierung bei den Bronzedosen danach eingeprägt. Dies geschieht mit einem kleinen Metallstempel und einem Hammer.
Die Verzierungen werden mittels Metallstempel eingeschlagen.
Die Befestigung der Spiegel in den Gehäusen wird glücklicherweise auch in den „Dress Accessories“ beschrieben. Die Masse, die sich oft noch als Reste erhalten hat, obwohl die Spiegelgläser verloren sind, wird als „...cement that occasionally survives as calcium carbonate.“ (Dress Accessories, Seite 358) beschrieben.
Kalziumkarbonat, oder auch Schlämmkreide, ist überwiegender Bestandteil in Fensterkitt, der schon seit Jahrhunderten zur Herstellung bspw. von Bleiverglasungen verwendet wird. Einzige weitere Zutat ist Leinöl oder Leinölfirnis. Diese klebrige Masse ist farblich leicht beige und ähnelt optisch stark den Resten in erhaltenen Spiegeln. Ein erster Versuch Leinölfensterkitt zu verwenden hat überzeugende Ergebnisse gebracht. Die Spiegelchen, wenn auch keine gebogenen, halten gut, auch ohne modernen Kleber.
Eingeklebte Spiegel, man erkennt am Rand die Reste des LeinölfensterkittMontag, 20. April 2020
Rätsel des mittelalterlichen Blau gelöst
"Folium"-Blau erweist sich als ganz neue Art der pflanzlichen Pigmente
Die Farbe Blau galt in vielen frühen Gesellschaften als etwas Besonderes. Weil dieser Farbton in der Natur eher selten vorkommt, sah man ihn als Farbe des Himmels und der höheren Sphären. Während viele Völker das aus Pflanzen gewonnene Indigo sowie Anthocyane als Grundlage ihrer blauen Farben nutzten, entwickelten die Ägypter vor mehr als 5.000 Jahren bereits das erste künstlich hergestellte mineralische Pigment.
Die geheimnisvollste aller Künste
Aber es gibt eine blaue Farbe, die sich bisher allen Analysen entzogen hat. Es handelt sich um eine blaue, wasserlösliche Farbe, die von der Antike bis ins späte Mittelalter häufig zur Illustration von Manuskripten verwendet wurde. In historischen Texten wird zwar beschrieben, dass dieses als Folium oder Tournesol bekannte Pigment aus der Pflanze Chrozophora tinctoria gewonnen wurde. Aber welche chemische Struktur die blaue Pflanzenfarbe hatte, blieb unbekannt. Einer der Gründe dafür: Die Herstellung dieser blauen Farbe geriet nach dem Ende des Mittelalters in Vergessenheit.Im 19. Jahrhundert beschrieb ein französischer Priester die Produktion des Pigments als eine der geheimnisvollsten Künste: „Diejenigen, die sie herstellen, kennen ihre Anwendung nicht. Die, die von ihr profitieren, wissen nichts über ihre Herstellung und diejenigen, die sie beschrieben haben, erzählten nichts als Lügen. Doch nun haben Forscher um Paula Nabais von der Nova-Universität Lissabon das Geheimnis des Foliums gelüftet. Für ihre Studie folgten sie zunächst den Anweisungen mittelalterlicher Manuskripte und sammelten einige Früchte des noch heute im Süden Portugals wachsenden Wolfsmilch-gewächses Chrozophora tinctoria. In Alkohol gaben die zerkleinerten Früchte einen blauen Farbstoff frei. Diese Lösung analysierten die Wissenschaftler unter anderem mit Gaschromatografie-Massenspektrometrie Das Ergebnis: „Der Extrakt zeigte einen chromatografischen Peak mit einer maximalen Absorption bei rund 540 Nanometer – das entspricht einer blau-violetten Farbe“, berichten Nabais und ihr Team. Nähere Analysen enthüllten, dass dieses spektrale Signal von keiner bisher als Pigment bekannten chemischen Verbindung stammte. „Bei dieser blauen Farbe handelt es sich weder um ein in vielen blauen Blumen und Früchten gefundenes Anthocyan noch um ein Indigo“, erklären Nabais und ihr Team. „Dieses Pigment erweist sich als seine Klasse für sich.
Mit einem alten Pflanzenheilmittel verwandt
Doch was ist es? Die Untersuchungen ergaben, dass der geheimnisvolle Blau-Farbstoff aus zweiverbundenen Kohlenwasserstoffringen mit angelagertem Zuckermolekül besteht – er ist ein sogenanntes Hermidin. Das Überraschende daran: Hermidine sind in der Pflanzenchemie und Pharmazeutik keine Unbekannten. Denn diese Alkaloide kommen auch im Wald-Bingelkraut (Mercurialis perennis) vor, einem in vielen Wäldern Europas wachsenden Heilpflanze. Aber die Hermidine aus dem Bingelkraut ergeben nur bräunliche und gelbliche Lösungen, aber kein haltbares Blau. Was also ist bei dem Chrozophoridin getauften Hermidin anders? Wie die Forscher herausfanden, lagern sich bei diesem Blaupigment zwei Hermidine so zusammen, dass es zu einem Ladungsaustausch kommt. Das stabilisiert die Moleküle in einer Konfiguration, die zur starken Blauabsorption führt.
„Unverzichtbares Wissen“
Damit ist das Jahrhunderte alte Geheimnis der mittelalterlichen Manuskriptfarbe und seines pflanzlichen Rohstoffs nun endlich gelüftet. „Dies ist ein für die Erhaltung unseres europäischen Kulturerbes unverzichtbares Wissen“, konstatieren Nabais und ihre Kollegen. „Aber wir sind sicher, dass dies noch nicht das letzte Wort zu dieser faszinierenden Pflanze und seiner Geschichte ist und dass bald noch weitere Entdeckungen folgen werden.“ (Science Advances, 2020)Quelle: https://www.scinexx.de/news/technik/raetsel-des-mittelalterlichen-blau-geloest/